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Veterinärdienst Privatisierung in Bayern: Staatliche Kontrolle in privater Hand?

Warum die Delegation von Veterinäraufgaben in Deutschland kritisch zu sehen ist – und was wir daraus lernen müssen


Die Frage, wer in Deutschland für Tiergesundheit, Tierschutz und Lebensmittelsicherheit verantwortlich ist, ist brisanter, aktueller denn je – und betrifft uns Tierärzte unmittelbar.

In Bayern sorgt aktuell ein Modellprojekt für Aufsehen: Der Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. (TGD) übernimmt Aufgaben, die eigentlich klassische staatliche Kernaufgaben sind. Der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) prüft nun die Finanzstrukturen und die Rechtmäßigkeit.

Doch worum geht es eigentlich – und warum ist das Thema für uns als Berufsstand so wichtig?


Die Krise des Öffentlichen Veterinärdienstes (ÖVD)


Wir alle kennen die Symptome:

  • Dauerhafter Personalmangel bei Amtstierärzten, besonders in ländlichen Regionen

  • Überalterte Belegschaft, in den kommenden Jahren massive Pensionierungswellen

  • Wachsende Aufgabenlast – von Seuchenschutz bis Tierschutzkontrolle

Ein Papier der Bundestierärztekammer („Amtstierarzt 2030“) kommt zu einem ernüchternden Fazit:

In vielen Regionen können nur etwa 50 % der gesetzlichen Aufgaben des ÖVD erfüllt werden.

Manche Betriebe sehen statistisch nur alle 48 Jahre einen Kontrolleur.


Bayerns Modell: Delegation an den TGD


Um diese Lücken zu schließen, setzt Bayern auf ein „Zukunftskonzept Landtierärzte“ und delegiert Aufgaben an den Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. – eine „Selbsthilfeeinrichtung der Landwirtschaft“.

Das bedeutet:

  • Der Staat finanziert (über Rahmenverträge in Millionenhöhe) einen Verein, der von Landwirten getragen wird.

  • Dieser übernimmt beratende und teilweise überwachende Aufgaben in den Bereichen Tiergesundheit, Tierschutz und Lebensmittelsicherheit.

Die Staatsregierung bezeichnet das als pragmatische Lösung. Kritiker sehen darin eine Verschiebung hoheitlicher Kernaufgaben in private Hände.


Wo liegt das Problem bei der Veterinärdienst Privatisierung in Bayern?


1. Interessenkonflikt

Der TGD ist strukturell Landwirtschaftsnah. Kann eine Organisation, deren Hauptziel die Unterstützung der Agrarbranche ist, gleichzeitig unabhängig kontrollieren?


2. Unklare Verantwortlichkeiten

Die Delegation erfolgt nicht über eine formelle Beleihung, sondern über Projektverträge.Folge: Weniger staatliche Aufsicht, mehr Grauzonen.


3. Rechtsunsicherheit für Tierärzte

Wir Tierärzte stehen im Spannungsfeld zwischen Schweigepflicht (§ 203 StGB) und Anzeigepflicht bei Tierschutzverstößen (§ 34 StGB).Die Bundestierärztekammer warnt seit Jahren: Diese Rechtslage ist zu unklar.


4. Finanzielle Fragen

Der ORH wird prüfen: Wie effizient sind die eingesetzten Millionen?Und: Erreicht das Modell tatsächlich messbare Verbesserungen bei Tiergesundheit und Tierschutz – oder handelt es sich um eine verdeckte Subvention für die Landwirtschaft?


Was Tierärzte daran besonders stört


  • Vertrauensverlust: Wenn Tierhalter durch die Veterinärdienst Privatisierung in Bayern glauben, dass Tierärzte „verlängerte Arme der Behörden“ sind, leidet das Verhältnis massiv.

  • Ethik & Berufsethos: Wir sind Heiler und Garanten für das Tierwohl – nicht gleichzeitig Kontrolleure im Auftrag der Politik.

  • Rollenvermischung: Beratung, Behandlung und Kontrolle aus einer Hand? Das führt zu massivem Misstrauen und gefährdet unsere Glaubwürdigkeit.


Was tun? – Vorschläge für die Zukunft

  1. ÖVD stärken: Mehr Personal, bessere Bezahlung und attraktive Arbeitsbedingungen für Amtstierärzte – nur so lässt sich der Teufelskreis durchbrechen.

  2. Klare Trennung: Wenn Delegation nötig ist: Nur an unabhängige Institutionen, nicht an landwirtschaftsnahe Vereine.

  3. Rechenschaftspflicht: Öffentliche Gelder brauchen klare Erfolgskriterien (KPIs) und regelmäßige, unabhängige Evaluierungen.

  4. Rechtsklarheit schaffen: Eindeutige Leitlinien für Tierärzte: Wann dürfen oder müssen Tierärzte melden, ohne unsere Schweigepflicht zu verletzen?


Fazit:

Der Rechnungshof prüft nicht nur Zahlen – sondern die Integrität eines ganzen Systems.

Für Tierärzte ist klar:Wir brauchen klare Rollen, rechtliche Sicherheit und einen starken, handlungsfähigen öffentlichen Veterinärdienst. Nur so können wir unseren Berufsethos wahren – und gleichzeitig einen wirksamen Beitrag zum Tierschutz und zur Lebensmittelsicherheit leisten.


👉 Diskutiert mit!Was denkt ihr über die Delegation staatlicher Aufgaben an Vereine wie den TGD? Stärkt sie unsere Arbeit – oder untergräbt sie unser Selbstverständnis als Tierärzte?

(Schreibe deine Meinung in die Kommentare oder teile diesen Artikel in deinem Netzwerk.)


Ein Tierarzt mit meiner Kuh

 
 
 

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