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Zwillingsträchtigkeit Pferd: Ein Leitfaden zu Risiken, Erkennung und Management

I. Einleitung: Warum Zwillinge bei Pferden ein Problem sind


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Zwillingsgeburten bei Pferden: Risiken, Erkennung und ManagementScan4Animal Podcast


Eine Zwillingsgeburt bei Pferden klingt nach doppeltem Glück, ist aber in Wahrheit eine große Gefahr für die Stute und ihre Fohlen. Obwohl es relativ oft vorkommt, dass eine Stute mit Zwillingen trächtig wird , ist die Geburt von zwei gesunden Fohlen extrem selten. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei nur 1 zu 1000.

Der Grund dafür ist einfach: Die Gebärmutter einer Stute ist von Natur aus nur für ein einziges Fohlen ausgelegt. Wenn zwei Embryonen heranwachsen, konkurrieren sie um Platz und Nährstoffe. Das führt dazu, dass Zwillingsträchtigkeiten die häufigste Ursache für Fehlgeburten sind, die nicht durch Infektionen ausgelöst werden.

Wird eine Zwillingsträchtigkeit nicht rechtzeitig erkannt, sind die Folgen oft dramatisch:

  • Späte Fehlgeburten oder Totgeburten

  • Die Geburt von lebensschwachen, unterentwickelten Fohlen

  • Schwere Geburtsprobleme, die für die Stute lebensgefährlich sein können

  • Langfristige Fruchtbarkeitsprobleme bei der Stute

Für Züchter bedeutet das nicht nur emotionalen Stress, sondern auch erhebliche finanzielle Verluste. Paradoxerweise können moderne Zuchtmethoden, die eigentlich die Effizienz steigern sollen, das Risiko für Zwillinge sogar erhöhen.

Dieser Bericht erklärt einfach und verständlich, warum Zwillinge bei Pferden entstehen, wie man sie erkennt und was man tun kann, um die damit verbundenen Gefahren zu vermeiden. Er ist ein praktischer Ratgeber für alle, die in der Pferdezucht tätig sind.


Eine Zwillingsträchtigkeit beim Pferd im Ultraschall
Zwillingsträchtigkeit Pferd

II. Wie es zu Zwillingen bei Pferden kommt


Wenn Sie nach "Zwillingsträchtigkeit Pferd gesucht" Um das Problem zu verstehen, muss man wissen, wie Zwillinge bei Pferden überhaupt entstehen.


2.1. Zweieiige Zwillinge: Der häufigste Fall


Fast alle Zwillinge bei Pferden sind zweieiig. Das bedeutet, sie entstehen, weil die Stute während einer Rosse zwei Eizellen freisetzt (Doppel-Eisprung), die dann beide befruchtet werden. Solche doppelten Eisprünge sind bei Pferden erstaunlich häufig und kommen je nach Studie bei 4 % bis 44 % der Zyklen vor.

Diese doppelten Eisprünge können gleichzeitig oder mit ein paar Tagen Abstand stattfinden. Bei einem zeitlichen Abstand sind die beiden entstehenden Embryonen unterschiedlich groß. Das kann die Diagnose im Ultraschall erschweren, aber auch die Chance erhöhen, dass der kleinere, schwächere Embryo von selbst abstirbt.


2.2. Eineiige Zwillinge: Eine absolute Seltenheit


Eineiige Zwillinge, die aus der Teilung einer einzigen befruchteten Eizelle entstehen, sind bei Pferden extrem selten und spielen in der Praxis kaum eine Rolle. Daher konzentriert sich die Tiermedizin vollständig auf die zweieiigen Zwillinge.


2.3. Wie Hormone das Risiko beeinflussen


Die Neigung zu doppelten Eisprüngen ist hormonell bedingt. Besonders wichtig für Züchter ist, dass Behandlungen zur Zyklussteuerung das Risiko deutlich erhöhen können:

  • hCG (das „Eisprung-Hormon“): Wird dieses Hormon gespritzt, um den Eisprung genau zu timen, kann es bei manchen Stuten die Reifung von zwei Eizellen gleichzeitig auslösen. Das Risiko für eine Zwillingsträchtigkeit kann sich dadurch verdreifachen.

  • Andere Hormonpräparate (GnRH, PGF2α): Auch andere Hormone, die den Zyklus steuern, können die Wahrscheinlichkeit für doppelte Eisprünge erhöhen.

Das bedeutet: Jede Stute, die hormonell behandelt wird, um die Besamung zu planen, ist automatisch eine Risikopatientin. Bei diesen Stuten ist eine sorgfältige Ultraschallkontrolle absolut unerlässlich.


2.4. Zwillingsträchtigkeit Pferd: Rasse und Genetik spielen eine Rolle


Die Neigung zu doppelten Eisprüngen ist auch erblich und tritt in manchen Familienlinien gehäuft auf. Zudem gibt es klare Unterschiede zwischen den Rassen:

  • Hohes Risiko: Vollblüter, Kaltblüter und moderne Warmblutstuten haben die höchsten Raten an doppelten Eisprüngen und damit das größte Risiko für Zwillinge.

  • Geringes Risiko: Bei Quarter Horses und Appaloosas ist das Risiko geringer, bei Ponys am niedrigsten.


III. Häufigkeit und Risikofaktoren


Wie wahrscheinlich ist eine Zwillingsgeburt und welche Faktoren erhöhen das Risiko?


3.1. Von der Befruchtung zur Geburt: Ein großer Unterschied


Obwohl bei manchen Rassen bis zu 30 % aller Trächtigkeiten als Zwillingsträchtigkeit beginnen , enden nur etwa 1-2 % tatsächlich mit der Geburt von Zwillingen. Die Chance, dass dabei zwei

lebende Fohlen zur Welt kommen, ist verschwindend gering.

Das liegt an einem natürlichen Mechanismus: der natürlichen Reduktion. Da in der Gebärmutter nicht genug Platz für zwei ist, konkurrieren die Embryonen stark miteinander. Wo sie sich in der Gebärmutter einnisten, ist entscheidend:

  • Im selben Gebärmutterhorn (unikornual): Das passiert in etwa 70 % der Fälle. Hier ist die Konkurrenz so groß, dass in 85-89 % der Fälle einer der beiden Embryonen von selbst abstirbt und nur einer übrig bleibt.

  • In getrennten Gebärmutterhörnern (bikornual): Hier hat jeder Embryo sein eigenes Horn und damit mehr Platz. Die natürliche Reduktion findet hier nur sehr selten statt (ca. 4-11 %). Diese Fälle sind am gefährlichsten und erfordern fast immer einen tierärztlichen Eingriff.


3.2. Weitere Risikofaktoren im Überblick


  • Alter: Das Risiko ist bei jüngeren Stuten im Alter von sechs bis acht Jahren am höchsten. Bei sehr alten Stuten (über 14 Jahre) ist es wieder geringer.

  • Zuchtstatus: Stuten, die zum ersten Mal gedeckt werden (Maidenstuten) oder im Vorjahr nicht tragend waren (güste Stuten), haben ein höheres Risiko als Stuten, die gerade ein Fohlen bei Fuß haben.

  • Saison: Das Risiko für doppelte Eisprünge steigt im Laufe des Frühjahrs an und erreicht im Hochsommer (Mai/Juni) seinen Höhepunkt.

  • Fütterung und Haltung: Eine ausgewogene Fütterung und eine stressfreie Umgebung sind für jede Trächtigkeit wichtig. Es gibt aber keine Beweise, dass eine bestimmte Fütterung das Zwillingsrisiko direkt beeinflusst. Extreme Diäten sind gefährlich und nicht zu empfehlen.


3.3. Die Aussichten, wenn Zwillinge unentdeckt bleiben


Wird eine Zwillingsträchtigkeit nicht behandelt, ist die Prognose schlecht:

  • Für die Fohlen:

    • In ca. 65 % der Fälle kommt es zu einer Fehlgeburt oder Totgeburt beider Fohlen.

    • Nur in ca. 14,5 % der Fälle werden zwei lebende Fohlen geboren.

    • Diese Zwillingsfohlen sind meist unterentwickelt, schwach und überleben die ersten Wochen oft nicht.

  • Für die Stute:

    • Das Risiko für eine späte Fehlgeburt (oft im 7. bis 10. Monat) ist hoch.

    • Schwere Geburtsprobleme sind häufig und können für die Stute lebensgefährlich sein.

    • Nach der Geburt kommt es oft zu Komplikationen wie Infektionen der Gebärmutter und Hufrehe.

    • Die Fruchtbarkeit der Stute für die nächste Saison ist oft stark beeinträchtigt. Besonders kritisch ist ein Verlust nach dem 37. Trächtigkeitstag, da die Stute dann für den Rest der Saison unfruchtbar bleiben kann.


IV. Die entscheidende Rolle der Früherkennung


Die frühzeitige und sichere Diagnose ist der Schlüssel, um all diese Probleme zu vermeiden.


4.1. Ultraschall: Die einzig verlässliche Methode


Die Ultraschalluntersuchung über den Darm (transrektale Sonographie) ist die Methode der Wahl, um eine Trächtigkeit früh zu erkennen und Zwillinge sicher nachzuweisen. Andere Methoden wie das Abtasten oder Hormontests sind dafür ungeeignet.


4.2. Der wichtigste Termin: Das Zeitfenster von Tag 14 bis 16


Der Erfolg des gesamten Managements hängt von einem einzigen, entscheidenden Termin ab:

  • Das optimale Zeitfenster: Die erste Ultraschalluntersuchung muss unbedingt zwischen dem 14. und 16. Tag nach dem Eisprung stattfinden.

Warum ist dieser Termin so wichtig? Bis zu diesem Zeitpunkt bewegen sich die winzigen Embryonen noch frei in der Gebärmutter. Der Tierarzt kann sie leicht finden und, falls es zwei sind, einen davon einfach und sicher entfernen.

Nach dem 16. Tag nisten sich die Embryonen fest in der Gebärmutterwand ein. Ab dann ist jeder Eingriff komplizierter, riskanter und die Erfolgschancen sinken. Diesen Termin zu verpassen, bedeutet, die beste und sicherste Behandlungsmöglichkeit zu verlieren.


4.3. Die richtige Technik für den Ultraschall


Für eine gute Diagnose braucht es die richtige Ausrüstung. Tierärzte verwenden dafür in der Regel einen hochfrequenten Linearschallkopf (5,0 bis 10,0 MHz), der ein sehr detailliertes Bild der kleinen Embryonen liefert. Moderne, tragbare Geräte von Scan4Animal sind für den Einsatz im Stall bestens geeignet.


4.4. Was man im Ultraschall verwechseln kann


Die häufigste Fehlerquelle sind harmlose, flüssigkeitsgefüllte Bläschen (Zysten) in der Gebärmutter, die einem frühen Embryo ähneln können. Ein erfahrener Tierarzt kann sie jedoch unterscheiden, da Embryonen beweglich sind und wachsen, Zysten aber nicht. Eine gründliche und systematische Untersuchung ist entscheidend, um nichts zu übersehen.


V. Was tun, wenn es Zwillinge sind?


Wird eine Zwillingsträchtigkeit festgestellt, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Das Ziel ist immer, einen der Embryonen zu entfernen, damit der andere gesund heranwachsen kann.


5.1. Manuelles Abdrücken: Die beste Methode bei früher Diagnose


Wenn die Zwillinge im optimalen Zeitfenster (Tag 14-16) entdeckt werden, ist das manuelle Abdrücken (auch „Crushing“ genannt) die Methode der Wahl.

  • Ablauf: Der Tierarzt führt seine Hand in den Darm der Stute und drückt unter Ultraschallkontrolle einen der beiden winzigen Embryosäcke sanft kaputt. Wenn die Embryonen unterschiedlich groß sind, wird immer der kleinere entfernt. Der Eingriff ist für die Stute kaum belastend und wird oft mit einer leichten Beruhigungsspritze durchgeführt.

  • Erfolgsrate: Wird der Eingriff von einem erfahrenen Tierarzt rechtzeitig durchgeführt, überlebt der verbleibende Embryo in über 90 % der Fälle und entwickelt sich normal.


5.2. Punktion (Absaugen): Die Option für spätere Fälle


Wird der Termin verpasst und die Zwillinge erst nach dem Einnisten (nach Tag 20) entdeckt, kommt die sogenannte transvaginale Aspiration (TUA) infrage.

  • Ablauf: Unter Ultraschallkontrolle wird eine dünne Nadel durch die Scheidenwand in einen der beiden Fruchtsäcke eingeführt. Die Flüssigkeit wird dann abgesaugt, was zum Absterben des Embryos führt. Dieser Eingriff ist am erfolgreichsten zwischen dem 21. und 35. Trächtigkeitstag.

  • Erfolgsrate und Risiken: Die Erfolgschancen sind hier deutlich geringer und liegen je nach Studie zwischen 9 % und 75 %. Das Risiko, beide Embryonen zu verlieren oder eine Infektion zu verursachen, ist höher als beim manuellen Abdrücken.


5.3. Management bei fortgeschrittener Trächtigkeit


Wird eine Zwillingsträchtigkeit erst nach dem 60. Tag entdeckt, sind die Möglichkeiten sehr begrenzt und die Eingriffe hochriskant. Methoden wie die kraniozervikale Dislokation (gezieltes Töten eines Fötus) oder die transabdominale Punktion haben nur eine Erfolgsrate von etwa 56-63 %. Oft bleibt nur der Abbruch der gesamten Trächtigkeit, was für den Züchter den Verlust des gesamten Zuchtjahres bedeutet.

Die folgende Tabelle zeigt deutlich: Je später die Diagnose, desto schlechter die Aussichten.

Tabelle: Vergleich der Behandlungsmethoden

Methode

Optimaler Zeitpunkt

Erfolgsrate (1 Fohlen überlebt)

Hauptrisiken

Manuelles Abdrücken

Tag 14 - 20

> 90 %

Verlust beider Embryonen (selten)

Punktion (TUA)

Tag 21 - 35

50 - 75 % (stark schwankend)

Verlust beider Embryonen, Infektion

Kraniozervikale Dislokation

Tag 55 - 90

~ 63 %

Verlust beider Föten, Verletzung der Gebärmutter

Transabdominale Punktion

Tag 115 - 130

~ 56 %

Verlust beider Föten, Bauchfellentzündung

Trächtigkeitsabbruch

< Tag 100

0 % (Ziel ist der Abbruch)

Komplikationen für die Stute, Unfruchtbarkeit für die Saison


VI. Praktische Tipps für Züchter und Tierärzte


Ein erfolgreiches Management von Zwillingsträchtigkeiten erfordert Teamarbeit und ein planvolles Vorgehen.


6.1. Tipps für Züchter


  • Risiken kennen: Sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt über die Risikofaktoren Ihrer Stute (Rasse, Alter, frühere Zwillinge, Hormonbehandlungen).

  • Den wichtigsten Termin einhalten: Der Ultraschalltermin zwischen Tag 14 und 16 ist nicht verhandelbar. Er ist die wichtigste Investition in eine gesunde Trächtigkeit.

  • Nachkontrolle planen: Eine zweite Kontrolle um den 30. bis 35. Tag wird empfohlen, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist und das Herz des Fohlens schlägt.

  • Gute Haltung: Sorgen Sie für eine stressfreie Umgebung und eine ausgewogene Fütterung. Vermeiden Sie extreme Diäten.


6.2. Tipps für Tierärzte


  • Standardprotokoll etablieren: Jede besamte Stute sollte standardmäßig an Tag 14-16 und erneut an Tag 30-35 untersucht werden.

  • Gründlich untersuchen: Der gesamte Uterus muss systematisch abgesucht werden. Bekannte Zysten sollten vorab dokumentiert werden, um Verwechslungen zu vermeiden.

  • Umfassend aufklären: Klären Sie den Besitzer über alle Risiken und Optionen auf. Die Entscheidung wird gemeinsam getroffen und muss dokumentiert werden.

  • Grenzen kennen: Die Reduktionstechniken erfordern viel Erfahrung. Im Zweifel ist die Überweisung an einen Spezialisten die beste Entscheidung.


Zwillinge sind bei Pferde extrem selten

6.3. Rechtliche Aspekte


Das Übersehen einer Zwillingsträchtigkeit kann für Tierärzte rechtliche Konsequenzen haben und zu Schadensersatzforderungen führen. Eine lückenlose und genaue Dokumentation aller Befunde, Behandlungen und Gespräche ist daher unerlässlich und schützt sowohl den Züchter als auch den Tierarzt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Management von Zwillingen heute kein Glücksspiel mehr ist, sondern ein planbarer Prozess. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht in komplizierten Eingriffen, sondern in der disziplinierten Einhaltung der frühen und regelmäßigen Ultraschallkontrollen. Das schützt die Gesundheit von Stute und Fohlen und sichert den züchterischen und wirtschaftlichen Erfolg.




 
 
 

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